1.3.1.1 Änderungen des Straßenverkehrsgesetzes
Im Juni 2023 hat das Bundeskabinett dem Entwurf des Verkehrsministeriums zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) zugestimmt. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die zuvor [in Aufbruch:Stadt] beschriebenen formalen Einschränkungen einer gerechteren Verteilung des Straßenraums überhaupt abbauen zu können.
Ergänzt werden soll der Paragraf 6 StVG, in dem bisher (neben der Sicherheit) die „Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen“ maßgeblich ist. Zukünftig dürfen dann laut Absatz 4a auch Maßnahme ergriffen werden, die zur „Verbesserung des Schutzes der Umwelt, darunter des Klimaschutzes, zum Schutz der Gesundheit oder zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung“ dienen (bmdv.bund.de, Referentenentwurf vom 19.06.2023).
Damit wären zwar wichtige Voraussetzungen zu einer entsprechenden Anpassung der Straßenverkehrsordnung (StVO) gegeben, aber erst mit einer dortigen Anpassung würden sich die Reglungen für den Alltag auf der Straße konkretisieren. Auch hierzu liegt schon ein (noch nicht vom Kabinett beschlossener) Entwurf vor, der sich allerdings weitaus ernüchternder liest. Umwelt- und Klimaschutz sollen dort dann nur noch „hinsichtlich Sonderfahrspuren und Vorrangregelungen für Linienbusse und der ‘Bereitstellung’ von Flächen für Fahrrad- sowie für Fußverkehr [möglich] sein. Und nur, sofern die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigt ist. Ein konsequenter Paradigmenwechsel sieht anders aus“ (Maltzahn, 2023)*. Es zeigt sich in dem Entwurf der StVO, dass eine Beschränkung des fließenden Verkehrs weiterhin nur möglich sein soll, wenn „auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine besondere Gefahrenlage besteht. Zwar sieht der Entwurf einige Ergänzungen der bestehenden Ausnahmen vor: Eine Gefahrenlage soll nicht notwendig sein für Tempo 30 zwischen zwei Tempo-30-Zonen, wenn dieser Bereich 500m nicht überschreitet, für Tempo-30-Zonen vor Spielplätzen, Schulwegen und Fußgängerüberwegen sowie für Sonderspuren, die zur Erprobung neuer Mobilitätsform angeordnet werden. Ein generelles Tempo-30-Limit innerhalb von Ortschaften ist so aber weiterhin nicht möglich. Auch Zero-Emissions-Zones lassen sich so nicht einführen“ (ebenda).
Ebenso erfüllt der bisherige Entwurf der StVO in keiner Weise die Forderungen der inzwischen knapp 900 Städte und Gemeinden (August 2023, lebenswerte-staedte.de), die sich für „lebenswerte öffentliche Räume“ und mehr Entscheidungsfreiheit bei der Anordnung von Tempo 30 einsetzen.
Die juristische Entscheidung gegen den Verkehrsversuch auf der Deutzer Freiheit** Anfang August 2023 basiert auf der aktuell gültigen Rechtlage, deren umfangreiche Fallstricke in “Aufbruch:Stadt” ausführlich behandelt sind. Meinem laienhaften juristischen Verständnis nach, würde sich die auf den Verkehrsversuch beziehende Rechtlage auch nach einer Verabschiedung der nun vorgeschlagenen Entwürfe nicht ändern.
* Maltzahn, Flemming, Paradigmenwechsel im Straßenverkehrsrecht? – Jedenfalls (noch) nicht in der StVO!, JuWissBlog Nr. 43/2023 v. 14.07.2023, https://www.juwiss.de/43–2023/
** siehe hierzu auch “Aufbruch:Stadt”, Kapitel 4
sowie hier das Update Kapitel 4, Deutzer Freiheit
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