Die Frage, ob grünes Wachstum in den reichen Industrienationen eine Option bietet, die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen nachzukommen und gleichzeitig Wachstum zu generieren wird in der Studie „Is green growth happening?“ (Vogel & Hickel, 2023) untersucht.
In den letzten Jahren haben einige Länder ihre CO2 Emissionen reduziert, bei gleichzeitiger Erhöhung ihres Bruttoinlandsprodukts. Diese absolute Entkopplung wird dann allgemein als grünes Wachstum bezeichnet, an anderen Stellen auch als verträgliches, nachhaltiges oder inklusives Wachstum. Auf der Webseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK, www.bmwk.de, www.energiewechsel.de) findet sich hierzu eine Infografik, die ein auseinanderentwickeln des Wachstums vom Energieverbrauch darstellt.

Die Nachhaltigkeitsstrategie des BMWI formuliert, dass „nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum […] eine Grundlage des Wohlstands in Deutschland [ist…] Richtschnur ist dabei das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft und das Versprechen, Wachstum und ‚Wohlstand für alle‘ zu schaffen“ (BMWK). Kann dieses Versprechen in Einklang mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele stehen? In der empirischen Studie von Vogel und Hickel wird untersucht, ob die Ziele des Pariser Klimaabkommen über grünes Wachstum realisierbar sind.
Von 36 untersuchten Industriestaaten wurden nur 11 Länder mit hohem Einkommen identifiziert, die zwischen 2013 und 2019 eine absolute Entkopplung erreicht haben: Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Schweden, und das Vereinigte Königreich. Die Studie untersucht, ob die Minderungsraten, die diese Länder durch eine solche absolute Entkopplung erreichen, mit ihren Anteilen (fair-shares, als bevölkerungsproportionale Anteile definiert) an den Paris-konformen CO2-Budgets im Einklang stehen.
Das Ergebnis ist so eindeutig wie ernüchternd. Die Emissionsminderungen der Länder durch absolute Entkopplung, bleiben weit hinter den Paris-konformen Raten zurück. Bei den erreichten Raten würden diese Länder im Durchschnitt mehr als 220 Jahre brauchen, um ihre Emissionen um 95% zu senken und dabei das 27-fache ihrer verbleibenden 1,5‑Grad-Budget (Fair-Shares) zu emittieren. Um ihre 1,5 Grad-Fair-Shares neben dem anhaltenden Wirtschaftswachstum zu erreichen, müssten die Entkopplungsraten bis 2025 im Durchschnitt um den Faktor 10 steigen, für Deutschland gar um den Faktor 30. Die Diskrepanz zwischen erreichten und erforderlichen Minderungsraten ist extrem groß und wird in der folgenden Grafik verdeutlicht.

Die Studie formuliert deutlich, dass die in den Industrieländern erzielten Entkopplungsraten nicht ausreichen, um die Verpflichtungen des Pariser Abkommens zu erfüllen. Wenn mit „Grün“ die Erfüllung des Pariser Abkommen gemeint ist, dann haben Länder mit hohem Einkommen kein grünes Wachstum erreicht und werden dies auch in Zukunft wahrscheinlich nicht erreichen können (Vogel & Hickel, 2023).
Um Paris-konforme Emissionsreduzierungen zu erreichen, müssten die Länder mit hohem Einkommen Postwachstumsstrategien zur Nachfragereduzierung verfolgen, die Wirtschaft auf Suffizienz, Gerechtigkeit und menschliches Wohlergehen neu ausrichten und gleichzeitig den technologischen Wandel und Effizienzverbesserungen beschleunigen (ebenda).