4.1.8.3 Stadtkontraste auf der Deutzer Freiheit
Im April 2023 hat der Verkehrsversuch auf der Deutzer Freiheit eine deutlich qualitative Aufwertung erfahren. Das Team von Stadtkontraste hat im Auftrag der Stadt Köln zahlreiche Stadtmöbel und Blumenkästen installiert. Auf Einladung der Bürgerinitiative Deutzer (Auto-)Freiheit wurden die Blumenbeete bepflanzt und eine Öffentlichkeitskampagne auf den sozialen Medien gestartet. Das sehr zahlreiche und überaus positive Feedback kann auf der Webseite (deutzautofrei.de/statement/) nachgelesen werden.
Populistische Anfeindungen
Dort findet sich auch ein Offener Brief Deutzer Eltern und Anwohner:innen, in dem die Unterzeicher*innen „das Vorhaben in hohem Maße“ begrüßen und auch beklagen, dass deren „Stimme im politischen Prozess marginalisiert [würden. Sie] nehmen wahr, dass einige durch lautstarkes öffentliches Auftreten versuchen, diesen Prozess zu diskreditieren“ Im weiteren Verlauf berichtet der Brief von lautstark und aggressiv vorgetragenen Beiträgen, vergifteten Diskursen und Beschimpfungen. Es werden auch die Verantwortlichen benannt: „Daran beteiligt sind nach unseren Beobachtungen nicht nur vereinzelte Bürger:innen, sondern auch Vertretungen des Einzelhandels sowie politische Vertretungen, die dem Verkehrsversuch ablehnend gegenüberstehen.“ Die Unterzeichner*innen sorgen sich ernsthaft um das Zusammenleben im Veedel, fühlen sich eingeschüchtert, bedroht und vom politischen Diskurs ausgeschlossen. Es ist erschreckend, wie tief das Niveau der populistischen Akteure gegen den (jeglichen) Verkehrsversuch schon gesunken ist und wie wenig ihnen daran gelegen ist, in einem Diskurs produktive Lösungsvorschläge zu entwickeln.
Deutzer Freiheit Beispielhaft
Dabei kann die aktuelle Gestaltung der Deutzer Freiheit beispielhaft aufzeigen, wie Qualität im öffentlichen Raum entstehen kann und worauf es bei der Konzeption von Aufenthaltsqualität ankommt.
Die hochwertige Ausführung des Parklets und der Stadtmöbel von Stadtkontraste vermitteln unmittelbar eine Wertschätzung für den öffentlichen Raum und zeigen, dass auch ohne exorbitant hohen finanziellen Aufwand und lange Vorlauf- und Planungszeiten eine ansprechende Stadtmöblierung realisiert werden kann.
Meiner Meinung nach ist allerdings noch zentraler, dass es sich nicht um die Aneinanderreihung von gut gemeinten Sitzgelegenheiten zwischen Ladezonen, Radabstellanlagen und parkenden PKW handelt (wie auf der Venloer Straße). Auf der Deutzer Freiheit wird die Idee einer Raum- und Platzgestaltung sichtbar. Die Konzentration an drei Stellen unterbricht die ansonsten linear durchgehende Straßenführung und vermittelt, dass ein Zusammenkommen und der Aufenthalt an diesen Orten erwünscht ist.
Die üppige und vielfältige Bepflanzung unterstützt diesen Eindruck. Es gibt einander zugewandte Sitzgelegenheiten, die eine Kommunikation fördern, aber auch einzelne Objekte, die ein für-sich-sein ermöglichen. Dem ambivalenten Verhältnis von Nähe und Distanz seit der Corona-Pandemie wird hier entsprochen.
Der Platz vor St. Heribert erfährt durch das dorthin gerichtete und zum Straßenraum geöffnete Parklet eine Betonung. Der Platz öffnet sich dadurch zum Straßenraum und liegt nicht mehr so sehr getrennt und nach hinten zurückversetzt. Das am Straßenrand stehende Modul aus dem Kölner BAUMKASTENSYSTEM hatte den trennenden Charakter durch die voneinander abweisenden Sitzflächen (ebenso wie die leider Rücken an Rücken stehenden Bänke am Wasserspender) nochmals betont. Nun kann der Platz als Eingangstor zur Deutzer Freiheit entwickelt werden. Der sehr löbliche Trinkwasserspender und die großen schattenspenden Bäume komplettieren den Eindruck und deuten an, welches Potential in diesem Platz liegt. Auch die versetzt angeordneten Objekte neben dem Parklet öffnen den Gehweg auf dieser Straßenseite zum gegenüberliegenden Platz hin.
Auch die anderen Orte, an denen die Stadtmöblierung konzentriert ist, schaffen Räume und drücken ein „Willkommen“ in einer konsumzwangfreien Aufenthaltsfläche aus. Der soziale Charakter des öffentlichen Raums wird durch die Wasserreservoire mit Gießkannen und Bildtafeln nochmals hervorgehoben. Die Plätze öffnen den Blick darüber hinaus auch auf die umgebende Architektur.
Die Deutzer Freiheit betont damit die Funktion als Zielort gegenüber der Durchgangsfunktion – schade, dass einige Einzelhändler*innen dies nicht als Chance begreifen und nutzen.
Leider gehen diese sogar so weit, eine Klage gegen die Fortführung des Verkehrsversuches anzustreben* und sich jeglicher Entwicklung entgegenzustellen. Sollte der Verkehrsversuch keine Fortsetzung haben und „die Autos“ wieder zurück auf die Deutzer Freiheit kommen, werden die Probleme mancher Einzelhändler*innen sich nicht auflösen. Diese werden dann aber – in Eintracht mit der sie unterstützenden Kölner CDU – natürlich dem Verkehrsversuch die Schuld für ihren sich weiter fortsetzenden und schleichenden Niedergang geben.
Dabei wäre es so wichtig, die nun gemachte (weitestgehend positive) Erfahrung und die gewonnenen Erkenntnisse aus Deutz mitzunehmen – zum Beispiel auch auf die Venloer Straße (siehe: Update Venloer Straße).
* das Kölner Verwaltungsgericht hat am 2. August 2023 der Klage stattgegeben und den Verkehrsversuch, bzw. die Fußgängerzone für „voraussichtlich rechtswidrig“ erklärt (Pressemitteilung VG Köln), siehe auch: Update Straßenverkehrsgesetz.
siehe hierzu auch: Der Pyrrhussieg auf der Deutzer Freiheit