Verkehrsversuch Venloer Straße, Phase 2 Einbahnstraße
Ende Oktober 2023 wurden die wesentlichen Maßnahmen der ersten Phase des Verkehrsversuches (Vorlage 2716/2021) auf der Venloer Straße wieder zurückgenommen. Der Versuch als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich wurde beendet und damit die Reglungen für Tempo-20 und Rechts-vor-Links wieder außer Kraft gesetzt. Wieder in Betrieb genommen wurden die Ampelanlagen. Die gelben Kreuze (die Zebrastreifen und Schutzstreifen demarkiert hatten) wurden ebenso entfernt, wie die künstlichen Engstellen.
Geblieben sind einige neu eingerichteten Radabstellanlagen auf ehemaligen Parkplätzen am Straßenrand. Neu hinzugekommen ist ein weiterer Zebrastreifen und ein Blitzer für das nun wieder geltende Tempo-30 wurde aufgestellt.
Die entscheidende Änderung in der Phase 2 des Verkehrsversuches (Vorlage 2488/2023) ist aber wohl die Einrichtung der lang ersehnten Einbahnstraße (Radverkehr frei in beide Richtungen) vom Gürtel stadteinwärts bis zur Piusstraße. Das von manchen erwartete Chaos ist nach Einrichtung der Einbahnstraße ausgeblieben. Klar, dass zahlreiche PKW-Nutzer*innen erstmal vor dem Durchfahrt-Verboten-Schild standen und einige dies auch missachtet haben (hierfür wurde schnell mit einer Absperrung gegengesteuert). Und es wird sicherlich auch noch einige Zeit brauchen, bis sich die deutlich erhöhte Durchfahrt durch die Piusstraße wieder auf ein Normalmaß reguliert.
Die Zunahme des PKW-Verkehrs auf der Subbelrather und vor allem auf der Vogelsanger Straße ist – wie vorher auch prognostiziert – deutlich zu spüren, aber auch hier ist der Verkehr nicht zusammengebrochen. Nochmals sichtbarer geworden ist die Problematik an der Kreuzung Vogelsanger / Gürtel – insbesondere vor dem Hintergrund der sicherlich irgendwann auch einmal eröffneten Heliosschule (siehe hierzu Aufbruch:Stadt, 4.1.4 Vogelsanger Straße). Dies ist von Seiten der Verkehrsverwaltung auf einer Sitzung der Bezirksvertretung zumindest als „bekannt“ formuliert worden.
Positive Entwicklung
Entgegen meiner ursprünglichen Einschätzung ist der Effekt der Einbahnstraße aber als sehr positiv zu bewerten. Der PKW-Verkehr hat insgesamt abgenommen und ist auch sehr viel entspannter. Die von mir prognostizierte Erhöhung der PKW-Geschwindigkeit durch die nun breitere und freie Fahrbahn ist nicht eingetreten. Es wird vermutlich nicht nur an dem deutlich sichtbar aufgestellten Blitzer liegen, dass der Verkehr nicht übermäßig viel schneller fließt.
Sogar das Halten von Lieferdiensten mitten auf der Fahrbahn führt nun nicht mehr zu einem Adrenalinausstoß bei allen anderen Verkehrsteilnehmenden – irgendwie kommen alle aneinander vorbei. Es scheint so, dass auf der Venloer ein deutlich geringeres Aggressionslevel besteht. Das Chaos der verkorksten Phase 1 des Verkehrsversuches hatte die Aggression bei PKW und Radfahrenden deutlich erhöht und zu einer Verunsicherung gerade der schwächeren Verkehrsteilnehmenden geführt.
Vor allem für Radfahrende ist die Einbahnstraße sicherlich ein erheblicher Gewinn. Auch scheint bisher das beidseitige Parken kein Problem zu machen. Hierfür muss sich der stadteinwärts fahrende PKW über den entgegenkommenden Radverkehr bewegen, was zuvor als eine mögliche Gefahr benannt wurde.
Die unsäglich schmalen Schutzstreifen werden von den Radfahrenden sehr großzügig interpretiert und häufig wird die gesamte Fahrbahnbreite in Anspruch genommen. Durch dieses rumge-x‑e der ersten Phase des Verkehrsversuchs werden diese „Schutzstreifen“ wahrscheinlich eh‘ von kaum eine*r Radfahrenden mehr ernstgenommen. Geplant ist eine Verbreiterung des Schutzstreifen. Vielleicht sollte dies nochmals überdacht werden: ein paar weitere große (!) Fahrradpiktogramme in beide Richtungen auf der Fahrbahn, und ein vorsichtiges/teilweises Entfernen der bestehenden Schutzstreifen, könnte die derzeit positiv festzustellende gemeinsame Nutzung des Verkehrsraums von PKW und Rad unterstützen.
Dem entgegen steht, dass großzügige Schutzstreifen die PKW-Spur deutlich sichtbar einschränkt und für ehr unsichere Radfahrende und Kinder wahrscheinlich positiv wirkt. Dies wird aber zwangsläufig wieder zu dem Problem von parkenden Lieferfahrzeugen auf dem Fahrradschutzstreifen führen. Oder, wenn diese dann netterweise nicht auf dem Schutzstreifen, sondern auf der Straße halten, zu Konflikten mit dem KFZ-Verkehr führen.
Kritik am gesamten Verkehrsversuch
Ein wesentlicher Kritikpunkt bleibt allerdings bestehen: die aktuelle Phase des Verkehrsversuch bringt keinen positiven städtebaulichen Impuls für mehr Grün oder Aufenthaltsqualität und bleibt auch deutlich hinter den Empfehlungen der Gutachter zum RVKE zurück. Das Konzept Shared Space ist in der Kölner Verkehrsverwaltung anscheinend grundsätzlich unerwünscht. Dies wurde im Zusammenhang mit dem beschlossenen, aber inzwischen abgeräumten Shares-Space Heliosstraße ja sehr deutlich formuliert (siehe Aufbruch:Stadt, 4.1.3 Helios-Gelände).
Die erste Phase mit verkehrsberuhigtem Geschäftsbereich und Tempo-20 wurde leider völlig in den Sand gesetzt. Die schlechte Kommunikation, der unübersichtliche Schilderwald mit Rechts-vor-Links-Reglung in Verbindung mit den unsäglichen X‑Markierungen und Engstellen hatte immer den Charme einer irgendwie dilettantisch geplanten Dauerbaustelle.
Es gab auch keine erkennbaren Maßnahmen, den Durchgangsverkehr auf die parallellaufenden Straßen zu führen. Mit der Unterbindung der Überfahrung des Gürtels (s.u.) und der Einrichtung von zwei oder drei deutlich erkennbaren (und attraktiv gestalteten) Shared-Space-Bereichen wäre hier ein besseres Ergebnis umsetzbar gewesen. Die Einschränkungen und Fesseln der bundesdeutschen Straßenverkehrsgesetzte, mangelnde Kreativität (und Kapazitäten) der Kölner Verkehrsverwaltung und politische Vorfestlegungen haben dies aber von vorneherein verhindert.
Hinzu kam dann noch das Urteil des Verwaltungsgerichts zum Verkehrsversuch auf der Deutzer Freiheit. Dort wurde leider sehr deutlich formuliert, dass ein Verkehrsversuch nicht mit der Zielsetzung einer Steigerung von Aufenthaltsqualität durchgeführt werden kann (siehe Aufbruch:Stadt, 4.1.8 Verkehrsversuch Deutzer Freiheit, Deutz-Autofrei und hier: Update). Insofern ist es nachvollziehbar, dass die Kölner Verkehrsverwaltung danach jeglichen Anspruch an städtebaulicher Qualität aus ihrer Vorlage für die 2. Phase des Versuchs auf der Venloer herausgestrichen hat – ein erneutes juristisches Scheitern wäre kaum mehr vermittelbar. Leider wird dies aber auch zur Folge haben, dass es zukünftig kaum noch innovativen Experimente geben wird.
Ebenso ist es nicht verwunderlich, dass sich nur wenige Wochen nach dem Start der Phase 2 eine „Initiative ‘Stopp Einbahnstraße‘“ mit Plakaten und einer Online-Petition zu Wort meldet und über einen massiven Rückgang der Umsätze des Einzelhandels und der Gastronomie klagt. Das ganze (Trauer-) Spiel ist von der Deutzer Freiheit allzu bekannt und ich möchte daher hierzu – trotz aller Unterschiede im Detail — auf den Beitrag „Der Pyrrhussieg auf der Deutzer Freiheit“ verweisen.
Zukunft
Es bleibt für die Zukunft noch ein Stückchen Venloer Straße übrig. Hierfür warten wir noch das vor vielen Jahren beschlossene, aber immer noch nicht angegangene „Innovative Verkehrskonzept Helios“. Und weitere Vorschläge rund um den VeedelsBlock+ hinter dem Gürtel (siehe Aufbruch:Stadt, u.a.: 3.7.5 Layer Verkehr) liegen in Aufbruch:Stadt auch vor.