Update 2023-10 — Schei­tern als Kunstform

Johan­nes Novy, Stadt­for­scher und ‑pla­ner, Uni­ver­si­ty of West­mins­ter School of Archi­tec­tu­re and Cities

Auf sei­nem Blog und einem Arti­kel in der taz beschreibt der in Köln gebür­ti­ge Stadt­for­scher Johan­nes Novy die Köl­ner Stadt­ent­wick­lung unter dem Titel „Schei­tern als Kunst­form“. Die zahl­rei­chen auf­ge­führ­ten Bei­spie­le bie­ten einen guten Über­blick über die Deba­kel mit ehr stadt­wei­ter Bedeu­tung. Da die sich hier­aus erge­be­nen Ein­schät­zun­gen an vie­len Stel­len mit mei­ner “Nach­be­trach­tung und Ein­ord­nung” in Aufbruch:Stadt decken, liegt es nah‘ die­se Par­al­le­len neben­ein­an­der zu stel­len. Im Schei­tern der zahl­rei­chen gro­ßen und klei­nen Pro­jek­te kann so Sys­tem und Kon­ti­nui­tät auf­ge­zeigt werden.

In den wei­ter unten ver­link­ten und als Lek­tü­re emp­foh­le­nen Arti­keln spannt Johan­nes Novy einen gro­ßen Bogen des Ver­sa­gens der Köl­ner Poli­tik und Verwaltung:

Stadt­ent­wick­lung in Köln bedeu­tet, ein ums ande­re Mal nicht fas­sen zu kön­nen, wie Poli­tik und Ver­wal­tung die Stadt gegen die Wand fah­ren und gleich­zei­tig nicht mehr im Gerings­ten über­rascht zu sein. Seit Jahr­zehn­ten gehö­ren Plei­ten und Pan­nen eben­so fest zur Dom­stadt wie der Dom selbst. Köln wäre nicht Köln ohne die stän­di­ge Prä­senz poli­ti­schen Ver­sa­gens bezie­hungs­wei­se einer Poli­tik, die – unab­hän­gig davon, wer gera­de regiert – Schei­tern zur Kunst­form erko­ren zu haben scheint

(Novy, Stadt­ent­wick­lung in Köln. Schei­tern als Kunst­form, 2023).

Als Bei­spie­le nennt er den Brand­brief Köl­ner Stadtführer*innen und beschreibt in „eine[r] endlose[n] Rei­he ähn­li­cher Deba­kel“ zahl­rei­che wei­te­re (Bau-) Pro­jek­te: Oper, Wall­raff-Rich­artz-Muse­um, Jüdi­sches Muse­um, ‘His­to­ri­sche Mit­te‘, Unglücks­stel­le am Waid­markt (Ein­sturz des his­to­ri­schen Stadt­ar­chivs), Ein­bruch im Muse­um für Ost­asia­ti­sche Kunst, Hal­len Kalk / Kal­ker Ost­hof und eini­ge ande­re mehr…

Für das Doku­ment Aufbruch:Stadt habe ich mich auf dezen­tra­le Stadt­räu­me bezo­gen, die meist ehr im loka­len Bezug wahr­ge­nom­men wer­den. Der Ver­kehrs­ver­such Ven­lo­er Stra­ße bekam durch das völ­li­ge Deba­kel zum Start dann aller­dings noch über­re­gio­na­le Auf­merk­sam­keit. Das Betei­li­gungs­ver­fah­ren zum Helios­ge­län­de mit der geplan­ten Inklu­si­ven Uni­ver­si­täts­schu­le soll­te ursprüng­lich auch über Ehren­feld hin­aus strah­len. Von dem Leucht­turm­pro­jekt geht inzwi­schen aller­dings kei­ne Strahl­kraft mehr aus.

Par­al­le­len

Allen Pro­jek­ten gemein­sam ist die anfäng­lich kom­mu­ni­zier­te Eupho­rie bei gleich­zei­tig ver­eng­ter Fokus­sie­rung auf das ein­zel­ne Pro­jekt an sich. Es fehlt(e) die Ein­ord­nung – oder zumin­dest die Ver­mitt­lung – in eine Visi­on und Stra­te­gie für eine gesamt­städ­ti­sche, zukunfts­wei­sen­de und nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung. Von dem städ­te­bau­li­chen Mas­ter­plan für die Innen­stadt von Albert Speer + Part­ner ist genau­so wenig etwas zu erken­nen, wie von den ambi­tio­nier­ten Kli­ma­plä­nen oder der Köl­ner Stadt­stra­te­gie Per­spek­ti­ven 2030+ (s. Aufbruch:Stadt, 2.1.1 Köl­ner Per­spek­ti­ven 2030+ ff).

Die zen­tra­len Groß­pro­jek­te ste­cken im finan­zi­el­len Desas­ter, einer mut- und ideen­lo­sen Poli­tik und einer dys­funk­tio­na­len Ver­wal­tung fest. So muss­te im August 2022 ange­kün­digt wer­den, sämt­li­che Groß­pro­jek­te „auf den Prüf­stand“ zu holen und ggf. auf Eis zu legen.

Die von mir in den letz­ten Jah­ren beglei­te­ten und in Aufbruch:Stadt betrach­te­ten dezen­tra­len Pro­jek­te wer­den ent­we­der erst gar nicht umge­setzt (Mari­en­stra­ße, Bar­rie­re­frei­heit auf Geh­we­gen), aktiv zer­stört (#Unite­dEi­fel­wall) oder enden im belang­lo­sen und inhalt­lich redu­zier­ten Klein-Klein (Ver­kehrs­ver­su­che). Die ange­pass­te und nach­träg­lich von jeg­li­cher städ­te­bau­li­chen Per­spek­ti­ve befrei­te zwei­te Pha­se des Ver­kehrs­ver­suchs Ven­lo­er Stra­ße steht bei­spiel­haft dafür, wie Poli­tik und Ver­wal­tung dann auch noch ver­su­chen, ver­kehrs­po­li­ti­schen Still­stand (gepaart mit juris­ti­schen Nie­der­la­gen wie bei der Deut­zer Frei­heit) noch als Erfolg ver­kau­fen zu wollen.
Dies ist ähn­lich pein­lich, wie die Aus­ru­fung der „ver­kehrs­po­li­ti­schen Revo­lu­ti­on“ nach den beschlos­se­nen Ände­run­gen des Stra­ßen­ver­kehrs­ge­set­zes (StVG) im Bund (sie­he hier­zu: Update 2023-06 / 2023-10).

Qua­li­ta­ti­ver öffent­li­cher Raum

Blickt Johan­nes Novy auf das Erschei­nungs­bild Köl­ner Stra­ßen und Plät­ze, trifft er auf den „trost­lo­sen Anblick des fran­zö­si­schen Schrift­stel­lers Hono­ré de Balzac, der seit letz­tem Jahr in Form einer vier Meter hohen Sta­tue des Künst­lers Augus­te Rodin den ver­kehrsum­tos­ten Neu­markt ‘kul­tu­rell auf­wer­ten‘ soll“ (eben­da). Die man­geln­de Wert­schät­zung von Kunst (wer­ken) im öffent­li­chen (Stra­ßen-) Raum – und über­haupt, die man­geln­de Qua­li­tät des öffent­li­chen Raums in Köln – kann nicht nur am Neu­markt fest­ge­stellt wer­den. In einem Arti­kel zur Ven­lo­er Stra­ße (und in der Stel­lung­nah­me der BI Heli­os zum Rad­ver­kehrs­kon­zept Ehren­feld) hat­te ich auf die „seit 1989 ein trau­ri­ges Schat­ten­da­sein fris­ten­de Steh­le des renom­mier­ten Köl­ner Künst­lers Ans­gar Nier­hoff“ am Bahn­hof Ehren­feld hin­ge­wie­sen (Frölich, Ven­lo­er Stra­ße und Mobi­li­tät in Ehren­feld, 2019). The­ma­ti­siert wur­de die­ser Unort in Ehren­feld schon wäh­rend der Bür­ger­be­tei­li­gung zum Helios­ge­län­de in den Jah­ren 2011/2012. Die inzwi­schen zur Far­ce ver­kom­me­nen Ergeb­nis­se der Bür­ger­be­tei­li­gung kön­nen sich sicher­lich naht­los in die Lis­te der oben auf­ge­führ­ten Köl­ner Deba­kel ein­rei­hen (sie­he hier­zu die aus­führ­li­che Nach­be­trach­tung zum Helios­ge­län­de in Aufbruch:Stadt).

Eine Debat­te zur Qua­li­tät des öffent­li­chen Raums fin­det zumin­dest beim Neu­markt in Ansät­zen statt (manch­mal auch noch beim Ebertplatz) – in Ehren­feld ist die­se völ­lig abwe­send (sie­he hier­zu auch: Update 2023-07, Deut­zer Frei­heit ff.).

Her­aus­for­de­run­gen unse­rer Zeit

Johan­nes Novy stellt fest, dass auch Köln „bei der Bewäl­ti­gung der gro­ßen städ­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen unse­rer Zeit wie Wohn­raum­man­gel, Kli­ma­kri­se und sozia­lem Zusam­men­halt“ hin­ter­her­hinkt. Als Bei­spiel führt er die bis­lang geschei­ter­te Ent­wick­lung des Ost­hof Kalk und den Aus­stieg der Mon­tag-Stif­tung an.

Wie auch in Kalk, soll­te mit Aufbruch:Stadt und dem dar­in ent­hal­te­nem Vor­schlag für den Veede­ls­Block+ eine gemein­wohl­ori­en­tier­te Umge­stal­tung eines zusam­men­hän­gen­den grö­ße­ren städ­ti­schen Raums – eben auch unter dem Gesichts­punkt von Wohn­raum­man­gel, Kli­ma­kri­se und sozia­lem Zusam­men­halt –ein­ge­bracht wer­den. Das bis­he­ri­ge und wei­test­ge­hen­de nicht-zur-Kennt­nis-neh­mens die­ses Vor­schlags in der Köl­ner Poli­tik, Ver­wal­tung und Stadt­ge­sell­schaft lässt aller­dings kei­ne Hoff­nung auf Bes­se­rung aufkommen.

Eben­so kann die Reak­ti­on der Köl­ner Ober­bür­ger­meis­te­rin Reker in der aktu­el­len Stun­de zum Kalk­de­sas­ter in der Rats­sit­zung vom 7. Sep­tem­ber 2023 ein­ge­ord­net wer­den. Mit Empö­rung und Irri­ta­ti­on reagier­ten zahl­rei­che Initia­ti­ven, nach­dem Ober­bür­ger­meis­te­rin Reker in der aktu­el­len Stun­de auf die Erklä­rung der Mon­tag-Stif­tung reagier­te, indem sie die sozio­kul­tu­rel­len Initia­ti­ven und betei­lig­ten Stif­tun­gen als Bitt­stel­ler abqua­li­fi­zier­te, ihre Erwar­tun­gen als „voll­kom­men unrea­lis­tisch“ bezeich­ne­te und resü­mier­te: „Alles geht nicht“ und es kön­ne nicht jedes gemein­wohl­ori­en­tier­te Pro­jekt rea­li­siert werden.

Die in der aktu­el­len Stun­de getrof­fe­nen Aus­sa­gen zeu­gen von völ­li­ger inhalt­li­cher Distanz gegen­über den Akteu­ren und den Anfor­de­run­gen einer gemein­wohl­ori­en­tier­ter Stadtentwicklung.

Stel­lung­nah­me Köl­ner Initiativen

In einer Stel­lung­nah­me Köl­ner Initia­ti­ven wei­sen die­se auf Finanz­mit­tel hin, die sie mit­brin­gen, inves­tie­ren und damit Gebäu­de und Denk­mä­ler der Stadt vor dem Ver­fall bewah­ren. So bringt bei­spiels­wei­se die Stif­tung des Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum und Muse­um über die Migra­ti­on in Deutsch­land (DOMiD) 44,26 Mil­lio­nen Euro in das Kal­ker Pro­jekt mit ein. In einer Pres­se­mit­tei­lung ver­schie­de­ner Akteu­re der Ver­ant­wor­tungs­ge­mein­schaft Ost­hof (VGO), Hal­len Kalk wer­den fünf- bis sechs­stel­li­ge Euro­be­trä­ge auf­ge­führt, die schon inves­tiert wurden.

Vor die­sem Hin­ter­grund for­mu­lie­ren die Köl­ner Initia­ti­ven: „Der Grund­te­nor Ihrer Rede war ein ein­dring­li­cher Appell an die Rats­mit­glie­der, ange­sichts begrenz­ter finan­zi­el­ler und per­so­nel­ler Res­sour­cen die Prio­ri­tä­ten nicht aus den Augen zu ver­lie­ren. Zumal es eini­ge ‘Grup­pen‘ ver­ste­hen wür­den Auf­merk­sam­keit zu erzeu­gen — und dies auch noch mit ver­meint­lich ‘voll­kom­men unrea­lis­ti­schen Erwar­tun­gen‘ und ‘ideo­lo­gi­schen Wün­schen‘. […] Kurz­um: Ihre Kri­tik trifft nicht den Kern der Sache und hat bei uns allen Empö­rung aus­ge­löst“.

In einer Ant­wort an den Zusam­men­schluss Köl­ner Initia­ti­ven erklär­te Ober­bür­ger­meis­te­rin Reker ihre Aus­sa­gen mit der Absicht, die gewähl­ten Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter im Rat mögen „die Balan­ce zwi­schen Wün­schens­wer­tem und Mach­ba­ren“ ein­hal­ten und es sei schon oft „zu viel ver­spro­chen und zu wenig ein­ge­hal­ten“ wor­den. Frau Reker betont, dass „eine par­al­le­le Umset­zung all der vor­ge­stell­ten Wün­sche“ nicht mög­lich sei, um zum Ende noch ein­mal zu beto­nen, dass sie sich ja „für vie­le der Initia­ti­ven, die das Schrei­ben vom 14. Sep­tem­ber 2023 mit­ge­zeich­net haben, mit gro­ßem Enga­ge­ment ein­ge­setzt habe – und zwar mit Erfolg“. Den betei­lig­ten Initia­ti­ven und den seit vie­len Jah­ren in Köln enga­gier­ten Men­schen muss es wie Hohn vor­kom­men, wenn Frau Reker statt einer Aus­ein­an­der­set­zung mit den Grün­den der Been­di­gung des Enga­ge­ments der Mon­tag-Stif­tung lie­ber Eigen­lob verkündet.

Die Links zu den Stel­lung­nah­men und auch zur Ant­wort der Ober­bür­ger­meis­te­rin fin­den sich in den monat­li­chen News­let­tern von KKAA News­let­ter Archiv | KKAA koelnkannauchanders.de.

Wer Visi­on hat, …

Die Erwar­tun­gen sind schon nicht mehr sehr hoch, wozu Johan­nes Novy anmerkt, dass Kölns Ver­ant­wort­li­che eines gut kön­nen: „die ohne­hin nied­ri­gen Erwar­tun­gen, die man in sie setzt, immer wie­der zu unter­bie­ten“ (Novy, Stadt­ent­wick­lung in Köln. Schei­tern als Kunst­form, 2023). Und hier wer­den als Ver­ant­wort­li­che nicht nur die Stadt- und Ver­wal­tungs­spit­ze genannt. „Und dass durch das seit 2020 regie­ren­de Bünd­nis aus Grü­nen, CDU und der Kleinst­par­tei VOLT tat­säch­lich die in Aus­sicht gestell­te ‘nach­hal­ti­ge, zukunfts­ori­en­tier­te und ver­läss­li­che Stadt­po­li­tik‘ im Stadt­rat Ein­zug gehal­ten hat, glau­ben allen­falls Abge­ord­ne­te die­ser Par­tei­en selbst“ (eben­da).

Visio­nen für eine nach­hal­ti­ge und zukunfts­ori­en­tie­re Per­spek­ti­ve wer­den schon lan­ge nicht mehr ent­wor­fen und diskutiert.

Die Eine-Mil­lio­nen-Euro-Fra­ge

Zum Ende des Blog­bei­trags stellt Novy die Eine-Mil­lio­nen-Euro-Fra­ge: „Was genau erklärt das regel­mä­ßi­ge Schei­tern und Unter-Ihren-Mög­lich­kei­ten-Blei­ben die­ser in vie­ler­lei Hin­sicht […] doch so pri­vi­le­gier­ten Stadt?“ (eben­da), ohne die­se in dem Blog­bei­trag selbst zu beantworten.

Einen Teil der Ant­wor­ten hat­te Johan­nes Novy schon in einem frü­he­ren Bei­trag in der taz gege­ben. Dort zitiert er aus dem Städ­teran­king des Insti­tuts der deut­schen Wirt­schaft (IW), bei dem Köln auf „einem wenig schmei­chel­haf­ten 30. Platz lan­de­te“ und ihr eine „teil­wei­se dys­funk­tio­na­le Ver­wal­tung“ beschei­nigt wur­de (Novy, Stadt­ent­wick­lung in Köln — Die Lis­te der Pos­sen ist lang, 2023). Neben der dys­funk­tio­na­len Ver­wal­tung sieht er aber auch eine Ver­ant­wor­tung bei der Stadtgesellschaft.

Nach einer ähn­lich aus­führ­li­chen Zusam­men­stel­lung von Tra­di­tio­nen, Plei­ten, Pech und Pan­nen schließt der Arti­kel wie­der mit der Fra­ge nach der Ver­ant­wort­lich­keit. Hier wird dann aber nicht nur nach oben geschaut, son­dern auch eine Ursa­che benannt, die in der Ver­fasst­heit der Stadt­ge­sell­schaft begrün­det liegt.

Köl­ner Stadtgesellschaft

Gleich­zei­tig lässt sich aber die Fra­ge, wer oder was für die Zustän­de in Köln ver­ant­wort­lich ist, sicher nicht mit einem schlich­ten ‘die da oben‘ beant­wor­ten, und auf der Suche nach einer befrie­di­gen­de­ren Ant­wort kommt man nicht umhin, auch die Köl­ne­rin­nen und Köl­ner selbst in den Blick zu neh­men. […]. Pro­tes­te, so sie denn statt­fin­den, ver­mö­gen in der Regel nicht in dem Maße zu mobi­li­sie­ren, wie man es ange­sichts der Anzahl und des Aus­ma­ßes stadt­po­li­ti­scher Ver­säum­nis­se erwar­ten könn­te (und wie es in ande­ren Städ­ten der Fall ist), und es ist etwas dran an der Beob­ach­tung, dass man dazu neigt, sich zu arran­gie­ren, getreu dem Mot­to ‘Et es wie et es‘, ‘Et kütt wie et kütt‘, ‘Wat wells de maache?‘ Der Fata­lis­mus und Zweck­op­ti­mis­mus, der aus die­sen rhein­län­di­schen Lebens­weis­hei­ten spricht, mag hel­fen, den all­täg­li­chen Wahn­sinn in Köln zu ertra­gen. Sie könn­ten aber auch mit ein Grund dafür sein, dass sich besag­ter Wahn­sinn als so bestän­dig erweist“ (eben­da).

Dies möch­te ich ger­ne noch ein klein wenig ergän­zen: Neben den genann­ten Mecha­nis­men, die sich mit dem rhein­län­di­schen Gemüht erklä­ren, schaf­fen es Poli­tik und vor allem Ver­wal­tung vor­züg­lich, die Kölner*innen in vie­len klei­nen und gro­ßen Pro­jek­ten zu beschäf­ti­gen und schein­bar per­ma­nent zu „betei­li­gen“. Divi­de et impe­ratei­le und herr­sche oder auch Panem et cir­cen­sesBrot und Spie­le [heut­zu­ta­ge heißt das dann: Tag des guten Lebens] sag­ten schon die ollen Römer, als sie vor 2000 Jah­ren nach Köln kamen. Die schier unglaub­li­che Men­ge an Initia­ti­ven, Grup­pen, Ver­bän­den und Ver­ei­ne in Köln sind höchst enga­giert, geschäf­tig und pro­duk­tiv – um schluss­end­li­che ent­we­der im Wat­te­bausch gefan­gen zu sein oder voll gegen die Wand zu lau­fen. Ver­meint­li­che Betei­li­gung statt ech­ter und ver­bind­li­cher Kooperation.

Heli­os Ehrenfeld

Bes­tes Bei­spiel ist die all­seits hoch gelob­te „Bür­ger­be­tei­li­gung Heli­os“ – ein Köl­ner Vor­zei­ge­pro­zess, der es gar bis in die Kinos schaff­te. Nach nun­mehr über 10 Jah­ren seit Ver­ab­schie­dung eines ver­bind­li­chen Leit­bil­des und Kodex heißt es in einem Brief des Bei­geord­ne­ten Ege­rer an die BI Heli­os lapi­dar, dass der Ent­wick­lung rund um das Helios­ge­län­de „die poli­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on“ feh­le [Aus­wei­tung des Ver­kehrs­ver­su­ches Ven­lo­er über den Gür­tel hin­aus] und, dass die Ver­wal­tung „für die Helios­stra­ße die­se Lösung [Shared Space] aktu­ell nicht wei­ter­ver­fol­gen kön­nen“. Soweit zum The­ma Ver­bind­lich­keit von Bür­ger­be­tei­li­gung in Köln — weni­ge Aus­nah­men bestä­ti­gen die Regel und wenn alles nicht mehr hilft, ist eben Karneval.


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